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Donnerstag 7. September 2006
Ulan-Bator - Mandalgobi


Kurz vor neun stehen wir auf, wir wollen nicht allzu spät losfahren.
Ein Blick aus dem Fenster lässt uns im wahrsten Sinne des Wortes erstarren. Wir reiben uns die Augen. Das kann doch nicht sein! Aber alles Reiben hilft nichts  Draußen liegt Schnee, fast 5 cm hoch und ein rattenkalter Wind pfeift durchs gekippte Fenster herein.
Schöne Bescherung. Wir wollen endlich mit den Motorrädern los, nicht mit einem Schlitten!

Schock am Morgen

Wir gehen runter, sprechen mit Sibylle. „Ja, Schnee ist nichts Ungewöhnliches so Anfang September“ sagt sie, „aber normalerweise schmilzt er um diese Jahreszeit auch gleich wieder“. Wenigstens ein Hoffnungsschimmer! Auch wenn das mit dem Schmelzen bei  -5°C Außentemperatur im Moment nicht so wahr- scheinlich erscheint.
Wir fangen an zu packen. Ich habe gewisse Probleme meine Siebensachen aus der großen Reisetasche in den beiden Motorradkoffern, der Gepäckrolle und dem Tankrucksack unterzu- bringen. Nichts Neues, geht mir jedes Jahr so.

Aber irgendwie findet das meiste doch noch seinen Platz. Der Rest, wie z.B. ein Satz Zivil- Klamotten für den Rückflug, wird bei Sibylle im Guesthouse „geparkt“.
Kurz vor 11:00 ist alles verstaut und die Mopeds sind beladen. Der Schnee hat sich inzwischen auch bis auf ein paar weiße Flecken im Garten davon gemacht. Die Straßen sind frei. Es kann endlich losgehen!
Wir wollen nach Süden, Richtung Gobi fahren. Dort wird es hoffentlich etwas wärmer sein. Wir verlassen Ulan-Bator auf dem uns mittlerweile viel zu gut bekannten Weg zum Flughafen.


Kurzer Schlenker zum Stadttor. Liegt zwar nicht direkt auf unserer Route, aber dieses Foto müssen wir einfach machen.
Weiter auf guter Teerstrasse bis Dzuunmod. Kurz darauf, so bei Kilometerstein 38, endet abrupt der Asphalt. Wir wissen noch nicht, dass das außerorts die letzte befestigte Strasse für die nächsten 2000 km gewesen ist.
Die Piste beginnt. Ja richtig, Piste! Keine gepflegte oder wie auch immer geartete Strasse. Nein, nur einfach Fahrspuren im Gelände! Mal gebündelt, mal weit auseinander gezogen, parallel durch die Landschaft. Jeder fährt da, wo er es als am Besten erachtet

Stadttor von UB

Wir sind ziemlich überrascht. Wir hatten schon gelesen, dass die Mongolei ein wegeloses Land sei, aber dass es selbst zwischen den Aimag(=Provinz)-Hauptstädten keine Strassen, wenn auch unbefestigt, gibt erstaunt uns doch ein wenig. Jedoch alles kein Problem. Wir sind ja nicht unvorbereitet. Wir haben den guten TKC 80 mit dem extra groben Moto-Cross-Profil auf den Felgen. Ich sitze auf einer Geländemaschine mit extra langen Federwegen. Die GS ist ein Segen, mit der 1150R wäre ich wohl nicht weit gekommen. Auch Archies gute alte R 100 R hat genügend Bodenfreiheit um fast alle Unweg- samkeiten zu meistern.

Piste

Also einfach Gas geben und fahren.
Allerdings ist volle Konzentration auf dem löch- rigen und zerfurchten Untergrund erforderlich, ein kurzer Blick in die Gegend könnte schon zum Verhängnis werden. So ab 40km/h aufwärts „fliegen“ die Bikes über die Piste.
Wenn es mal geradeaus geht und das Wasch- brett zu lästig wird, hilft auch etwas mehr Speed. Was jedoch nicht gerade ungefährlich ist, da das Verhältnis von Erkennen einer Gefahr zu Bremsweg bei diesem Untergrund leider nicht mehr stimmt.

Hügelkette kurz nach UB

Urplötzlich auftauchende tiefe Querrinnen oder große Löcher sind leider keine Seltenheit. (Kann dann durchaus diese berühmt-berüchtigten „Uiuiui”-Situationen ergeben.).
Wir kommen gut voran und nach einer Stunde gibt es die erste Pause. Es ist noch immer ziemlich kalt. So um die 4°C zeigt mein Thermometer am Lenker. Auf den Hügelkuppen ringsherum liegt noch Schnee und es bläst ein steifer, eklig kalter Wind.
Weiter geht’s. Alle halbe Stunde begegnet uns ein einsames Fahrzeug. Ansonsten ist um uns herum nur Leere. Leere soweit das Auge reicht.

Pistenpause

Wir nähern uns einem kleinen Gebirgszug. Es wird nochmals kälter, wir sind inzwischen fast 1700 m hoch und es beginnt leicht zu schneien. Solange es trocken bleibt kein Problem. Gut eingepackt in mehrere Schichten Pullover, dicke Handschuhe und mit eingeschalteter Griffheizung lässt sich das aushalten.
Wir kommen aus den Bergen heraus, die Sonne bricht durch die bislang graue Wolkendecke und es wird auch etwas wärmer. Die Landschaft ändert sich. Die Hügel werden länger und weicher, Sand- und Schotterflächen wechseln mit Prärie-ähnlichem Grasland. Nein, das sind keine Wiesen wie wir sie aus Europa kennen. Kein dichtes, saftiges Grün. Hier steht alle halben Meter ein strohiger, gelblich-grüner Halm.

Der wiesen-ähnliche Effekt ergibt sich nur, weil man flach über die fast unendlich Weite blickt.
Der Sand nimmt zu und die Wege werden stellenweise zur übelsten Waschbrettpiste. Dann gibt es wieder kurze „Autobahn“-Abschnitte auf denen bis über 100 km/h möglich sind.
Trotz Hauptverbindungsstrasse ist praktisch null Verkehr, wir treffen etwa 20-25 Autos auf den 250km!

Zwangs-Halt! Die Schüttelpiste hat Archies rechten Kofferhalter brechen lassen. Aber geschickt wie er ist, wird das Ganze mit einem Satz Spanngurte stabilisiert und wir können weiterfahren..


Drei mal gibt es Häuser neben der Strasse, gelegentlich Gers, wie die mongolischen Jurten heißen, ansonsten Ziegenherden, Schafherden, Pferde und die ersten Kamele mit 2 Höckern.
Ab und zu kurze (Zigaretten-)Pause. Einmal machen wir einen kleinen Ausflug auf einen Hügel neben der Piste.
Der C steuert fast senkrecht hinauf, ich bin etwas vorsichtiger und erklimme ihn von der sanfter ansteigenden Seite.
Von oben gibt es die erhoffte geniale Aussicht.

auf dem "Feldherrenhügel"

Nichts wie Gegend! Unvorstellbare Weite und für uns Europäer ungewohnte Leere! Kein Haus, keine Hochspannungsleitung, kein Funkmast, keine Strasse.
Nichts! Einfach nur nichts! Wunderbar!
Nur das Spiel von Licht und Schatten, wenn die Sonne durch die Wolken lugt. Es ist still. Nur das Rauschen des Windes ist zu hören. Kein Motorenlärm, kein Presslufthammer, kein Stimmengewirr. Einfach nur göttliche Ruhe.

Wir reißen uns los und schauen, dass wir weiter kommen.

auf dem "Feldherrenhügel"

Die Strecke bis Mandalgov zieht sich.
Kurzer Fotostopp bei einem toten Kamel. Als wir uns nähern fliegt eine Schar großer, schwarzer Vögel auf. Keine Geier, wahrscheinlich Raben oder Krähen. Der penetrante Aasgeruch hat sie wohl angelockt.
Etwas später treffen wir einen einheimischen Motorradfahrer mit Freundin. Er winkt uns zu und bedeutet uns anzuhalten.
Er will sich die UFO-mäßig gekleideten fremd- ländischen Gestallten und die großen Motorräder wohl aus der Nähe ansehen.

Dead Camel

Kurze Verbrüderung und Smaltalk mit Händen und Füßen. Die Schnittmenge unserer Sprachen ist leider Null.
Er will näheres über unsere BMWs wissen und wir malen Zahlen in den Sand.
Wir begutachten sein Motorrad, eine YI (sieht aus wie HW, wird ISH in unserem Alphabet geschrieben, sprich isch).
Ein offensichtlich sehr robuster, russischer Einzylinder Zweitakter mit 350 cm³ (Nachbau der 350er Wehrmachts-DKW), den wir auf der weiteren Reise noch oft sehen und mit seinem charakteristischen, unverkennbaren Sound noch öfter hören werden.
10 Minuten später trennen wir uns wieder. Er schwingt sich in den Sattel, lässt die Freundin aufsteigen und düst davon.
Ohne Helm, ohne Handschuhe, einfach nur in seinen Deel gewickelt.  Ein Deel ist ein typisches

Treffen in der Wüste

mongolisches Kleidungsstück. Ein bodenlanger schwerer Mantel, meist dunkelgrau oder dunkel- braun, mit überlangen Ärmeln, der nur von einem um den Bauch gewickelten farbigen Schal zusammen gehalten wird.


Nach insgesamt 9 Stunden kommen wir schließ- lich doch noch in Mandalgov an. Wie genau der Ort Мандал-Говь in lateinischen Buchstaben heißt, hängt offensichtlich von der Laune der Übersetzer ab. Mal Mandal- Gov, mal Mandal- gobi, mal Mandalgovi.
Es ist die Hauptstadt der Provinz Дундговь (Dund-Gov = Mittelgobi). Und besteht wie alle Aimag-Zentren (Aimag=Provinz) aus Verwal- tungsgebäuden, Schulen mit Internat, Banken und einem Fernmelde- und Postamt, das ggf. leicht anhand des Antennen-Turms zu finden wäre, sowie laut „Lonely-Planet“ aus zwei Hotels. Das erste sehen wir gleich am Ortseingang.

Das andere versuchen wir auf einer Stadtrunde ausfindig zu machen. Vergeblich.
Als wir am ersten nach Zimmern fragen, bekommen wir ein nicht besonders attraktives 8- Bett Dormitory zu etwa 6 USD pro Person angeboten. Beide sind wir nicht begeistert. Ich beschließe nochmals das andere Hotel zu suchen, das eigentlich keine zwei Häuser weiter sein muss. Der C bewacht die BMWs.
Ich finde zwar ein großes Gebäude, aber ob das jetzt ein Krankenhaus oder doch eine Herberge ist, kann ich nicht feststellen. Als ich andeute, dass ich hier schlafen möchte, wird mir ein „nicht möglich“ signalisiert.


Als ich zurück komme, plauscht Archie mit einem jungen Amerikaner. Luke ist für zwei Jahre hier als Volontär des Peace-Corps und unterrichtet Englisch.
Er sieht, dass wir mit dem Hotel nicht so recht zufrieden sind und bietet uns spontan an in seinem Ger zu übernachten. Da er für drei Personen nicht genug zum Essen hat, geht er mit uns ins (einzige?) Restaurant. Kein schmuckes Touristen-Lokal. Ein einfacher Raum mit vier kleinen, runden Tischen. Es gibt Buuz, Buuz oder Buuz, kleine Teigtaschen im Dampf gegart und mit einer Hackfleisch- Zwiebelmasse gefüllt.
Nichts anderes!

Restaurant in Mandalgov

Zu meinem Bedauern ist das Hack vom Schaf. (Was war auch anderes zu erwarten.) Aber die Zwiebeln drängen den Hammelduft soweit zurück, dass es mich nicht allzu sehr graust. „Der Hunger treibt’s nei!“ sagt man. Schmeckt gar nicht mal so übel. Da es kein Brot gibt, kaufe ich im Laden im selben Haus eine Tüte mit Kringeln aus undefinierbarem Teig. Sie saugen aber das Fett gut auf und machen die Buuz verdaubarer. Sechs der acht je Person bestellten schaffe ich. Die anderen beiden teilen sich Archie und Luke. Gesamtpreis für das Dinner incl. Tee und Cola- ähnlichem (Betonung auf ähnlich) Getränk ca. € 2,20.

Im Restaurant

Wir kaufen in einem 24h-Delguur (Delguur= Laden), ja das gibt es hier!, die Feierabend- Bierchen, eine kleine Flasche Wodka und was zum Knabbern. Während ich draußen die Bikes bewache, läuft mir eine Gruppe Deutscher über den Weg. Sie sind mit Hauser-Reisen herge- kommen. Es folgt das übliche „Wer-denn, was- denn, wohin-denn“. Noch ein paar Tipps von der Reiseleiterin Fr. Schmidt, auch eine Münch- nerin, einsammeln, dann fahren wir langsam neben dem laufenden Luke zu seiner Jurte. (Irgendeine seltsame Vorschrift des Peace-Corps verbietet das Mitfahren auf Motorrädern und Luke das Greenhorn hält sich auch noch dran.)

24-Stunden-Shop

Hinter dem offensichtlich obligatorischen, etwa mannshohen Bretterzaun findet sich sein Ger auf dem Grundstück des lokalen Schuldirektors, der selbst in einem kleinen Haus nebenan wohnt.
Der Ger hat ca. 5 m Durchmesser und ist in der Mitte so um die 2,8 m hoch. (Aufbau und Konstruktion siehe www.jurte.com ) Gibt einen gemütlichen Raum für bis zu drei Personen.
Luke wirft den Heizlüfter an und nach wenigen Minuten ist es wohlig warm. Die dicken Filzschichten isolieren hervorragend gegen die nach Sonnenuntergang rasch zunehmende Kälte!

Luke's Ger

Wir trinken unsere Bierchen, ratschen gemütlich über „come from and go to“ und Luke scheint froh zu sein mal wieder Englisch reden zu kön- nen. Später kommt noch der Schuldirektor samt Frau und Sohn, die sich den seltsamen Besuch auch nicht entgehen lassen wollen.
Wir machen Fotos und als der C seinen famosen Printer herauszieht und die Fotos auch noch ausdruckt ist die Begeisterung riesengroß.
Später versucht Archie seine gebrochene Packtaschen-Halterung mit UHU-Plus zu kleben, was aber nicht von Erfolg gekrönt ist, wie sich am nächsten Tag herausstellen wird.

Der Schulmeister

Luke’s junge Katze hatte die halbe Nacht damit gespielt und so konnten die Klebeflächen nicht richtig aushärten.
Da es auch ein funktionierendes Mobilfunk-Netz gibt, simsen wir eine kurze Standortmeldung nach Deutschland.
Wir blasen die (eigentlich selbst-aufblasenden) Iso-Matten auf, rollen die Schlafsäcke aus und fallen leicht erschöpft in die „Betten“. Fast 300 km Schotterpiste so am ersten Tag sind doch ganz schön anstrengend und Bier und Wodka erleichtern das Einschlafen auch.

Luke's Ger
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